Herausforderung Religionspolitik: Die Deutsche Islam Konferenz

22. 11. 2021
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Die Deutsche Islam Konferenz wurde gerade 15 Jahre alt. An sie knüpfen sich unterschiedliche, teils disparate Erwartungen. Manche muss sie enttäuschen. Aber deshalb ist sie nicht weniger relevant und erfolgreich. Zwei Konstanten werden bleiben: Im kooperativ geprägten Verhältnis von Staat und Religionsgemeinschaften sind islamische Dachverbände Ansprechpartner sui generis. Und im föderalen System braucht es die Länder, um Islampolitik erfolgreich umzusetzen.

Die Deutsche Islam Konferenz (DIK) ist seit 2006 das zentrale Forum für den Dialog des Staates mit den Muslimen. Sie hat über die 15 Jahre ihres Bestehens viel Zuspruch und Engagement erfahren – ebenso sah sie sich mit Kritik konfrontiert. Auf zwei Aspekte – zu Papier gebracht vor etwa einem Jahr von Hans-Michael Heinig[1] – sei hier eingegangen.

Da ist zum einen der Einwand, die DIK habe nur punktuell weiterführende Impulse gesetzt, jedoch eine strategisch kohärente deutsche Islampolitik nicht befördern können. Und da ist zum anderen die Frage des Umgangs mit den bestehenden islamischen Dachverbänden. Nicht allen, aber doch einem maßgeblichen Teil von ihnen wird nicht nur von Heinig vorgeworfen, sich nicht durchgehend und trennscharf vom legalistischen Islamismus abzugrenzen.

Dialog und Kooperation – aber kritisch

Um mit dem zweiten Punkt zu beginnen: Ja, die Islamverbände haben unterschiedlich weitgehenden Nachholbedarf mit Blick auf Nähe und Offenheit gegenüber dem hiesigen Rechts- und Gesellschaftssystem. Manche Hoffnung, sie würden sich im Laufe der Jahre strukturell und personell stärker und besser in den deutschen religionsrechtlichen Rahmen einpassen, wurde enttäuscht. Fortschritte hin zu mehr Unabhängigkeit von illegitimer Einflussnahme aus dem Ausland waren nicht frei von Rückschlägen. Zugleich verläuft die Linie zwischen verfassungstreu und verfassungsfeindlich eben oftmals nicht trennscharf. Dass maßgebliche Dachverbände in der Gesamtschau weiterhin nicht die Voraussetzungen erfüllen, um „lupenreine“ Kooperationspartner des Staates wie z. B. beim Religionsunterricht nach Art. 7 Abs. 3 GG zu sein, sehe ich auch so. Aber wo und wie sollte in diesen Belangen auf die Verbände eingewirkt werden, wenn nicht im kritischen Dialog in einem verstetigten, auch die Verbandsseite verpflichtenden Forum wie der DIK? Viele unserer Nachbarn schauen anerkennend auf dieses Format. Es fehlt dort Vergleichbares – und auch dort reift die Erkenntnis, dass es sicherheitspolitisch inspirierte Ge- und Verbote allein auch nicht richten.

Überdies: Rund 5,5 Millionen Muslime leben in Deutschland, viele sind neu zugewandert. Hunderttausende von ihnen besuchen tausende Moscheegemeinden. Eine wirksame und bessere religionsrechtliche wie auch religionskulturelle Integration der dahinterstehenden Strukturen und Akteure ist ebenso unerlässlich wie wünschenswert. An der Einbindung des verbandlich organisierten Islam führt dabei kein Weg vorbei. Und seine Ansprechpartner dort kann der Staat sich nicht selber schaffen. Die Frage nach der Beteiligung islamischer Gemeinschaften ist nicht „ja?“ oder „nein?“, sondern „wie?“. Die DIK beschreitet hier einen manchmal mühsamen, aber gangbaren Weg. Keiner sollte sich dabei der Illusion hingeben, dass diese Prozesse schnell verlaufen. Aber schon jetzt rückt eine neue Generation nach, die in Deutschland sozialisiert ist. Sie wird sich ihren Platz suchen, in oder außerhalb der etablierten Strukturen. Die DIK nimmt diese Entwicklungen auf und bindet neben den bestehenden Verbänden ebenso neue wie auch verbandsunabhängige Initiativen und kritische Stimmen ein.

Föderalismus als Herausforderung

Erfolgreicher als von einigen dargestellt – das war der erste Punkt – ist die DIK auch in ihrem Beitrag zu einer zielgerichteten, strategischen Religionspolitik. Ob alltagspraktische Fragen oder die religionsverfassungsrechtliche Integration des Islam, ob muslimische Seelsorge und Wohlfahrtspflege, islamischer Religionsunterricht und islamische Theologie an Universitäten, ob Moscheebau, islamische Bestattung oder schulpraktische Fragen: Die islampolitischen Themenfelder wurden systematisch nach einem auf mehrere Jahre ausgelegten Arbeitsprogramm abgearbeitet. Verständigungen und Übereinkünfte mündeten in Handreichungen und Empfehlungen. Die DIK hat entscheidende Bälle aufgenommen und passgenau nach vorne gespielt. In Tore verwandeln kann sie diese Vorlagen aber im föderalen System nicht alleine. Bildung, Kultus, Strafvollzug oder die Verleihung von Körperschaftsrechten: Hier liegen maßgebliche Zuständigkeiten bei den Ländern.

Wo mehr Einheitlichkeit gut täte

Der von Heinig gemachte Vorschlag, es bräuchte in Deutschland eine Religionsministerkonferenz, ist daher überlegenswert. Dort könnte z. B. das Anliegen forciert werden, eine flächendeckend islamische Gefängnisseelsorge einzurichten – entsprechende Empfehlungen hatten die Länderjustizministerinnen und -minister nach Impulsen der DIK vor bald zweieinhalb Jahren ja bereits vereinbart. Ein lohnender Gegenstand wäre zudem der islamische Religionsunterricht: Auch hier hat die DIK ihre Hausaufgaben gemacht und Vorlagen gegeben – z. B. indem sie die Voraussetzungen für die Einführung eines islamischen bekenntnisorientierten Religionsunterrichts konkretisiert und vor dem Hintergrund der nicht eindeutigen Verhältnisse hinsichtlich der islamischen Dachverbände, empfohlen hat, zunächst Übergangslösungen anzubieten. Die Situation in den Ländern ist hinsichtlich des islamischen Religionsunterrichts und der Frage, mit wem hierbei kooperiert wird, derzeit jedoch sehr disparat. So reicht die Spannweite von öffentlichen Verträgen mit als Religionsgemeinschaft anerkannten islamischen Dachverbänden über Übergangslösungen bis hin zur Ablehnung einer Kooperation mit jedwedem Verband. Deshalb sehe ich die derzeitige Entwicklung auch aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht ohne Sorge.

Die Ursache liegt sicher oft, vergleicht man zum Beispiel West- und Ostdeutschland, in der vielgestaltigen und ungleichen Verbandslandschaft. Dies – aber eben mitunter auch politische Präferenzen – führt dazu, dass je nach Land keine, unterschiedliche bzw. unterschiedlich viele islamische Vereinigungen den Status einer Religionsgemeinschaft oder gar Körperschaft des öffentlichen Rechts zugesprochen bekommen haben. Viel wäre daher gewonnen, wenn sich die Länder zu einem einheitlicheren, abgestimmten Handeln durchringen könnten.

Eine wo oder wie auch immer geartete Religionsministerkonferenz der Länder würde zugleich nicht die DIK als gesamtstaatliches Forum für den Dialog mit den Muslimen und ihren Organisationen in Deutschland ersetzen. Beide Foren würden sich jedoch gut ergänzen und zu einer kohärenten Religions- und Islampolitik in Deutschland auch in der Umsetzung beitragen.

Ambitionierte Überlegungen, zugegeben. Dazu von einem, der im Interregnum zwischen Wahl und Regierungsneubildung nur mehr geschäftsführend amtiert. Aber eben auch von jemandem, dem die DIK immer eine Herzensangelegenheit ist.

Fußnoten

Fußnoten
1 Siehe Heinig, Hans-Michael: Die deutsche Islampolitik – ambitionslos und inkonsequent, in: Welt, 17.11.2020, www.welt.de/debatte/kommentare/plus220315534/Integration-Wie-die-deutsche-Islampolitik-umsteuern-muss.html (zuletzt abgerufen: 17.11.2021).

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