Die beruflichen Qualifizierungswege von muslimischem religiösen Personal in Deutschland sind so vielfältig wie die Arbeit in den islamischen Gemeinden selbst. Um langfristig klare Bedingungen für eine gezielte Qualifizierung zu schaffen, sind Flexibilität und Zusammenarbeit bei der staatlichen Anerkennung von Ausbildungswegen gefragt.
Berufliche Qualifizierungswege von Imamen und religiösem Personal
In der Vergangenheit gab es zahlreiche Wege ins Amt des Imams und weiblicher Religionsbediensteter. Diese reichten von der Ausbildung im Ausland und der Entsendung über die Einholung individueller Arbeitserlaubnisse, transnationaler Ausbildung, Ausbildung in Deutschland bis hin zu eigenen Wegen der Ausbildung. Dies spielt für viele Gemeinschaften noch heute eine wichtige Rolle, auch in Bezug auf Weiterbildungsmöglichkeiten. Doch hat sich in den letzten Jahren in Deutschland viel verändert, was sich wie folgt zusammenfassen lässt:
1. Inländische Berufsausbildung
Mit wachsender Anzahl der Gemeinden in Deutschland haben sich größere islamische Gemeinschaften, wie z. B. der Verband der Islamischen Kulturzentren oder die Islamische Gemeinschaft Millî Görüş, seit den 1980er-Jahren gezielt dem Aufbau und der Institutionalisierung eigener Bildungseinrichtungen gewidmet. Hieraus sind die Ausbildungsinstitute entstanden, die sich an den spezifischen Bedarfen des jeweiligen Verbands und seiner Gemeinden orientieren. Diese nehmen für sich in Anspruch, über einen schulischen Weg zu qualifizieren und streben eine Anerkennung als Ersatz- oder Berufsschule an.
Die Ahmadiyya Muslim Jamaat betreibt seit 2012 das in Riedstadt (Hessen) befindliche Institut für Islamische Theologie und Sprachen; eine theologisch-akademische Institution mit dem Namen „Jamia Ahmadiyya“. Mit einer auch im Ausland praktizierten, siebenjährigen Ausbildung strebt sie eine Anerkennung als Ausbildungsinstitution an – langfristig auch als religiöse Hochschule.
In der grundständigen Ausbildung in Deutschland gibt es dabei Ähnlichkeiten und Unterschiede: So spielt in der Tradition der Maktab Tarighat Oveyssi Shahmaghsoudi (MTO Shahmaghsoudi) die persönliche Verbindung zum spirituellen Oberhaupt auch in der Ausbildung eine Rolle. Entsprechend hat die MTO Shahmaghsoudi, der klassischen Form einer Sufi-Gemeinde entsprechend, einen zentralen Meister, dessen Lehren vor Ort durch eine Lehrerin oder einen Lehrer (in Deutschland Gemeindereferentin bzw. Gemeindereferent genannt) als religiöse Autorität repräsentiert werden. Dies wird durch Kursangebote für die Gemeindearbeit ergänzt. Andere kleinere Gemeinden und Gemeinschaften gehen ihre Wege der Ausbildung vor Ort.
2. Inländische Weiterbildungsprogramme
Weiterbildungsprogramme in Deutschland setzen ein Studium der Islamischen Theologie voraus und qualifizieren berufspraktisch. Hierbei stehen die seit dem Wintersemester 2011/12 an deutschen Universitäten ausgebildeten Theologinnen und Theologen oder der Islamischen Theologie in der Türkei, aber auch anderer Länder, im Fokus. Das Theologiestudium bereitet jedoch nur bedingt auf die Gemeindearbeit vor.
Bereits seit Längerem setzt die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB) auf den Einsatz von religiösem Personal, das aus Deutschland kommt. An die Stelle der Entsendung von Personen aus dem Ausland ist die Anstellung von Personen getreten, die sich aus Deutschland für ein Studium der „Internationalen Islamischen Theologie“ in der Türkei entschieden haben. Diese Personen und Absolventinnen der hiesigen Islamischen Theologie werden von der DITIB-Akademie gemeinsam für den Einsatz in den Gemeinden weitergebildet.
Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass ein Studium der Theologie eine wichtige Voraussetzung für die Tätigkeit sei, aber viele Praxisinhalte eben nicht abdecken würde. Ähnlich wie in der Ausbildung von Priestern und Pfarrerinnen und Pfarrern schließt sich ans Studium eine zweite Ausbildungsphase an. Eine staatliche Anerkennung kommt hier ins Spiel, wenn es darum geht, die Weiterbildung gegebenenfalls vom Arbeitsamt finanziert zu bekommen, die Ausbildungskosten, Arbeitsmittel und Wege steuerlich geltend zu machen etc.
Auch das Osnabrücker Islamkolleg Deutschland e. V. (IKD) setzt bei der Weiterbildung an. Es kümmert sich um die theologisch-praktische Ausbildung deutschsprachigen religiösen Personals. Es ist eine verbandsübergreifende Institution, an der gezielt muslimisches Religionspersonal im Zusammenwirken zwischen islamisch-theologischem Hochschulpersonal und einzelnen islamischen Glaubensgemeinschaften praxisnah auf akademischem Niveau aus- und fortgebildet wird. Dies ist vor allem für diejenigen Gemeinden interessant, die einen Bedarf an qualifiziertem Personal haben, aber über keine eigene grundständige Ausbildung und Weiterbildung auf diesem Niveau verfügen. Viele Imame, auch kleinerer Verbände, sind theologisch sehr gut über ein Studium oder eine Ausbildung qualifiziert, müssen aber in Bezug auf die Funktion hiesiger Gemeinden Kompetenzen ausbauen.
Auch für Personen, die sich nicht in den größeren Organisationen verorten, bietet das IKD Wege der eigenen Qualifizierung für den Gemeindekontext.
Daneben entwickeln sich an einigen Universitäten innerhalb der islamisch-theologischen Studiengänge spezifische Angebote zur berufsnahen fachlichen Weiterqualifizierung für religionsbezogene Arbeitsfelder, wie etwa in der Krankenhaus- oder Gefängnisseelsorge. Als einschlägige Beispiele seien hier der Masterstudiengang „Islamische Praktische Theologie für Seelsorge und soziale Arbeit“ der Universität Tübingen sowie das berufsbegleitende Studienprogramm „Islam in der Sozialarbeit“ der Universität Münster genannt.
3. Qualifikationen aus den Gemeinden
Viele religionspraktische Inhalte werden in den Gemeinden selbst vermittelt. Religionspraktische Kenntnisse wie das Auswendiglernen des Korans, Grundkenntnisse des Arabischen, Kenntnisse des rituellen Gebets und der jeweiligen Glaubenslehre werden durch die Sozialisation in den Gemeinden erworben. Dies muss auch für die obenstehenden Angebote berücksichtigt werden, die oftmals auf diesen Vorerfahrungen aufbauen. Besonders entscheidend wird der Bereich der Weiterbildung entlang der spezifischen Bedarfe der Gemeinden sein. Hier gilt es, Wege zu finden, die Vielfalt der muslimischen Community in Wegen der Qualifizierung abzubilden.
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass für die Gemeinden unterschiedliche Wege zum Ziel führen. Entsprechend sind die Formen der angestrebten Anerkennung unterschiedlich. Berufspraktische Ausbildungsgänge können in Ergänzungsschulen umgesetzt werden, Weiterqualifizierungen in Weiterbildungsstätten bzw. Bildungswerken. Der Weg zur privaten Hochschule ist auch eine potenzielle Zukunftsoption. Dabei organisieren größere Gruppen ihre Anliegen selbst. Kleinere Gemeinschaften, die selbst keine inländischen Ausbildungsangebote etabliert haben, beteiligen sich ihrerseits z. B. an dem verbandsübergreifenden Modell des IKD in Zusammenarbeit mit islamisch-theologischen Standorten. Für alle diese Wege ist ein intensiver Austausch mit staatlichen Stellen notwendig, sofern eine Anerkennung des Angebots angestrebt ist. Hierdurch kann der Austausch mit dem Staat befördert werden und es können Impulse für die eigene Professionalisierung ausgehen.
Flexibilität und Zusammenarbeit bei der Anerkennung von Ausbildungswegen
Dauerhafte und auf die hiesigen Bedarfe qualifizierende Wege der Ausbildung sind von gemeinsamem Interesse für religiöse Gemeinschaften und den Staat. Neben der Möglichkeit, die Ziele im Rahmen der eigenen Möglichkeiten und für die eigenen Zwecke zu gestalten, ist die Aussicht auf eine staatliche Anerkennung ein wichtiges Kriterium für die Zukunft der Ausbildung muslimisch-religiösen Personals in Deutschland. Hierbei wird es Zwischenschritte geben, die u. a. die Entsendung oder die Beantragung von Arbeitserlaubnissen im Rahmen von Fachkräften mit Qualifizierungsmaßnahmen verbinden.
Bei allen steht die Frage nach klaren oder transparenten Bedingungen für die staatliche Anerkennung ihrer jeweiligen Programme im Raum, wobei ihnen die Wahrung ihres eigenen Profils und ihres Selbstbestimmungsrechts wichtig ist.
Für die Religionsgemeinschaften ist es zentral, Personen für die religionspraktischen Aufgaben zu qualifizieren. Gleichzeitig muss reflektiert werden, dass eine Person allein nicht alle an sie herangetragenen Aufgaben professionell leisten kann. Eine gezielte Qualifizierung von ehrenamtlichem und hauptamtlichem Personal für die pädagogischen und sozialen Aufgaben in der Gemeinde ist daher ebenso sinnvoll wie eine Qualifizierung im religiösen Bereich für Personen, die etwa aus sozialen oder pädagogischen Berufen kommen.
Religionsgemeinschaften und Staat haben gemeinsame Interessen in der professionellen Ausgestaltung von Gemeindearbeit, die sich in bestehende Strukturen vor Ort einfügen kann und sollte. Wichtig sind klare Wege zur Anerkennung bestehender Ausbildungsformate, um langfristig verlässliche und attraktive Ausbildungswege für religiöses Personal in Deutschland bereitzustellen.
Dieser Beitrag entstand im Rahmen eines Vortrags anlässlich der Vorstellung der Handreichung der Deutschen Islam Konferenz „Die Anerkennung von Berufen und Ausbildungsgängen religiösen Personals islamischer Gemeinden“ herausgegeben vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, 2024. Der Publikation sind detaillierte Informationen zum Themenbereich aus Wissenschaft und Verwaltung zu entnehmen.
Hier gelangen Sie zu Teil 1 des Beitrags.
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