Unabhängige Moscheegemeinden – Wunschtraum oder realistische Perspektive?

25. 10. 2022
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Professionelle islamische Gemeindearbeit bildet in Deutschland nach wie vor die Ausnahme. Für die Einstellung der an den staatlich geförderten Islaminstituten ausgebildeten Theologinnen und Theologen fehlen vielen Gemeinden die notwendigen Finanzmittel. Das könnte sich mit Hilfe der Gründung einer staatsfinanzierten, unabhängigen Moscheestiftung ändern.

Wenn in Deutschland über den Islam gesprochen wird, werden häufig negative Merkmale in den Fokus der Betrachtungen gestellt. Zu den Topthemen zählen seit dem gescheiterten Putsch in der Türkei im Jahr 2016 die Abhängigkeit hiesiger Gemeinden von ausländischen Staaten. Diese ist insbesondere bei den DITIB-Gemeinden gegeben. Die Imame, die in diesen Gemeinden ihre Dienste verrichten, sind durchweg türkische Beamte, die mit der deutschen Zivilgesellschaft wenig gemein haben und deren Loyalität bekanntlich einer türkischen Religionsbehörde gilt. Eine weitere damit verbundene Problemlage bildet die schwache Finanzsituation vieler Gemeinden. Die vorhandenen Spenden und Mitgliederbeiträge decken gerade mal anfallende Mieten und Unterhaltskosten der Gebäude. An eine professionelle Gemeindearbeit, die von akademisch ausgebildeten Fachkräften durchgeführt wird, kann noch nicht mal im Traum gedacht werden.

Dieser missliche Sachverhalt ist der Politik in Bund und Ländern seit Jahrzehnten bekannt. Um Abhilfe zu schaffen, gründete man an mittlerweile sieben Universitäten staatlich geförderte Islaminstitute, die akademisch ausgebildetes Personal für Gemeinden und Schulen bereitstellen sollen. Für die Schule funktioniert dies gut, da der Staat als Arbeitgeber in Erscheinung tritt. Ganz anders sieht die Sache bei den Gemeinden aus. Die mittlerweile zahlreichen ausgebildeten Theologinnen und Theologen befinden sich nach dem Studienabschluss zumeist in einer prekären Situation. Die Gemeinden stellen sie nicht ein. Es fehlt schlicht das Geld. Die bisherige staatliche Islampolitik hat diesen gewichtigen Punkt zwar erkannt, bemüht sich aber nicht konsequent um Abhilfe. Fragt man nach den Gründen, werden rechtliche Bedenken ins Feld geführt. So wird mantraartig wiederholt, der deutsche Staat müsse sich in religiösen Dingen zurückhalten. Daher sei eine Finanzierung von muslimischen Gemeinden ausgeschlossen.

Man kann die Dinge so sehen. Aber auch eine andere Sichtweise ist möglich, denn die Bundesrepublik Deutschland zahlt seit ihrem Bestehen erhebliche Summen an die großen christlichen Kirchen. Zuletzt waren es fast 600 Millionen Euro pro Jahr. Die Geschichte, die hierzu erzählt werden muss, klingt unglaublich. Es gab einmal einen französischen Kaiser, der vor langer Zeit den Kirchen Land wegnahm. Daher gibt es seit mehr als zwei Jahrhunderten einen Anspruch auf Entschädigung. Wofür genau das Geld fließt, weiß kein Mensch. Fest steht, es handelt sich um Steuergelder, die weitergereicht werden. Steuergelder, die auch von Muslimen entrichtet werden. Die Ampelkoalition will dies nun beenden. Doch auch das Ende wird teuer. Derzeit im Gespräch ist ein zweistelliger Milliardenbetrag als ultimative Abfindung für die Kirchen.

Steuergelder für die christlichen Kirchen waren in der Bundesrepublik bislang der Normalfall. Angesichts dieser Fakten erscheint es nicht abwegig, dass der Staat auch anderen Religionsgemeinschaften Finanzmittel überlassen könnte. Eine staatliche Finanzierung könnte für die muslimischen Gemeinden neue und vielversprechende Entwicklungen ermöglichen. Die Gemeinden hätten z. B. die Möglichkeit, hier ausgebildetes akademisches Personal zu beschäftigen, ohne auf finanzielle Ressourcen aus dem Ausland angewiesen zu sein. Ein hier beheimateter, unabhängiger Islam wäre endlich eine realistische Perspektive.

Doch wie kann man dies umsetzen? Betrachten wir zunächst die notwendigen Finanzmittel. Nimmt man als Richtwert die Höhe der Staatsleistungen, dann könnten die Gemeinden jährlich mit bis zu 50 Millionen Euro rechnen. Doch wer verwaltet und verteilt das Geld? Notwendig wäre eine vom Staat und den muslimischen Verbänden unabhängige Institution. Ideal wäre eine in jedweder Hinsicht unabhängige nationale Moscheestiftung. Eine Mitgliedschaft sollte nur für Gemeinden möglich sein, die vollkommen auf dem Boden der Verfassung stehen. Verbänden bleibt hingegen die Mitgliedschaft versagt. Zu groß ist die Gefahr der einseitigen Beeinflussung. Die Leitung der Stiftung sollte gänzlich in den Händen von Akteuren liegen, die respektierte Mitglieder der muslimischen Zivilgesellschaft sind und keinen Fremdeinflüssen unterliegen.

Sollte sich dieses Szenario als realistisch erweisen, gäbe es die Perspektive für einen Islam in Deutschland, der sich in organisatorischer und pekuniärer Hinsicht als eigenständig erweisen könnte. Untermauern lässt sich dies auch mit konkreten Zahlen. Machen wir ein Rechenbeispiel: Wenn wir uns an den Staatsleistungen für die Kirchen orientieren, würde die neu zu gründende Moscheestiftung ca. 50 Millionen Euro erhalten. Damit könnte man, sofern man ein normales Akademikergehalt (E13) voraussetzt, 800 Imame in Vollzeit finanzieren. Setzt man einen Eigenanteil der Moscheegemeinden von 50 Prozent voraus, wären es 1600 Imame oder Religionspädagogen, die in Lohn und Brot gebracht werden könnten. 

Für die deutschen Moscheegemeinden wäre die Mitgliedschaft in einer unabhängigen Moscheestiftung mit auskömmlicher Finanzierung außerordentlich attraktiv. Die Gemeinden könnten endlich in eigener Verantwortung hier ausgebildete Imame und Fachkräfte einstellen. Unmittelbare Effekte wären eine professionelle und qualitativ hochwertige Gemeindearbeit, die über gute Anschlussmöglichkeiten in das zivilgesellschaftliche Umfeld verfügt. Und den Skeptikern eines solchen Modells sei gesagt, dass diese Perspektive auf lange Sicht auch für die Gemeinden gilt, die bislang fest in verbandlichen Strukturen verankert sind.

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