Islamischer Unterricht wird an den bayerischen Schulen von diesem Schuljahr an als Wahlpflicht-Variante des Ethikunterrichts erteilt. Er muss daher eine religiös neutrale, rein informierende Islamkunde sein und auch die allgemein anerkannten Grundsätze der Sittlichkeit vermitteln, wie die Bayerische Verfassung fordert. Das stellt hohe Anforderungen an seine inhaltliche Gestaltung. Dem Wesen des Islam als religiöse Weltsicht wird ein solcher Unterricht nicht gerecht. Außerdem wird der Islam dadurch gegenüber anderen Religionen in eine Sonderposition gerückt.
Wie in anderen Bundesländern nehmen auch an den öffentlichen Schulen in Bayern Schüler, die keinen konfessionellen Religionsunterricht besuchen, am Ethikunterricht teil. In Bayern ist das sogar in Art.136 Abs. 2 der Verfassung vorgesehen, der für diese Schüler die Einrichtung eines Unterrichts „über die allgemein anerkannten Grundsätze der Sittlichkeit“ vorschreibt. Der bayerische Gesetzgeber hat nun dem auf dieser Grundlage eingerichteten Ethikunterricht einen islamischen Unterricht als Wahlpflichtalternative zugesellt. Er soll nach Art. 47 Abs. 3 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen neben den Inhalten des Ethikunterrichts zugleich Wissen über die Weltreligion Islam vermitteln und sie in interkultureller Sicht behandeln.
Damit wird der bisher seit über zehn Jahren als Schulversuch durchgeführte Islamische Unterricht auf Dauer gestellt. Er wird an über 350 öffentlichen Schulen in Bayern unterrichtet. Dagegen gerichtete Eilanträge u. a. der AfD-Fraktion im Bayerischen Landtag wurden vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof zurückgewiesen. Bisher wurde der Islamische Unterricht in Bayern als (Übergangs-)Schritt zur Einführung eines Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG entsprechenden islamischen Religionsunterrichts verstanden. Der ihm zugrunde gelegte Lehrplan deutete jedenfalls in Richtung eines konfessionellen Unterrichts. Allerdings fehlte ihm die dafür erforderliche Festsetzung der Grundsätze durch eine Religionsgemeinschaft. Seine Grundsätze wurden vielmehr unter Einbindung von Eltern vor Ort von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und dem Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus entwickelt.
Ganz abgesehen von der letztlich zu bejahenden Frage, ob der Gesetzgeber ein Wahlpflichtfach neben dem Ethikunterricht als Ersatz für einen Religionsunterricht einführen darf, wirft seine Ausgestaltung doch erhebliche Fragen auf. So kann man darüber ins Grübeln geraten, warum der Gesetzgeber eine Sonderform der Erziehung über die allgemein anerkannten Grundsätze der Sittlichkeit im Sinne der Bayerischen Verfassung insbesondere für Muslime für sinnvoll erachtet.
Jedenfalls muss der Islamische Unterricht aber in religiös-weltanschaulicher Hinsicht „neutral“ sein. Er hat sich auf bloße Informationen über den Islam zu beschränken und darf dessen Lehren nicht als vorgegebene Wahrheiten vermitteln. Anderenfalls handelt es sich nämlich um einen „konfessionellen“ Religionsunterricht, der nur auf der Grundlage der Festlegung seiner religiösen Grundsätze durch eine oder mehrere Religionsgemeinschaften zulässig ist. Der Blick in die dem bisherigen bayerischen Schulversuch zugrunde liegenden Lehrpläne zeigt nun, dass dieser Unterricht als ein konfessioneller Unterricht konzipiert ist, der eben den Islam als religiöse Wahrheit vermittelt.
Diesen Unterricht in einen rein informierenden, neutralen Unterricht umzuwandeln, ist ein anspruchsvolles Unterfangen. Dies gilt umso mehr, als er durch eben die Lehrkräfte erteilt werden soll, die auch bisher den Islamunterricht gehalten haben und für ihn auch ausgebildet wurden. Mit einer bloßen Umetikettierung des Unterrichts ist es jedenfalls nicht getan. Zu achten ist überdies darauf, dass der Unterricht nicht durch die Konzentration auf eine bestimmte Religion, den Islam, den Eindruck erweckt, dass über diese Religion hinaus andere Orientierungen gar nicht ernsthaft informations- oder diskussionswürdig sind. Mit der exklusiven Information über den Islam darf den Schülern nicht implizit vermittelt werden, der Islam sei die selbstverständliche, „normale“ Religion. Der Unterricht muss daher, auch wenn er in der Information über den Islam einen besonderen Akzent hat, die Pluralität der Religionen und die Position anderer religiöser und nicht religiöser Orientierungen einbeziehen.
Überdies muss der Islamische Unterricht, um den Anforderungen der Bayerischen Verfassung zu genügen, auch die „allgemein anerkannten Grundsätze der Sittlichkeit“ zum Gegenstand haben. Soll also eine Islamkunde in ein Wahlpflichtverhältnis neben den Ethikunterricht treten, sind die aus der Verfassung abzuleitenden Anforderungen an seinen Inhalt und insbesondere an die im Gegensatz zu einem Religionsunterricht zu fordernde Neutralität des Unterrichts enorm.
Dies ist nicht nur ein bayerisches Problem. Das Land Hessen hat seine Kooperation mit der DITIB, die bisher die religiösen Grundsätze für einen Islamischen Religionsunterricht festgelegt hat, eingestellt. Auch das Land Hessen führt diesen Unterricht in einen staatlich verantworteten, „neutralen“ Islamkundeunterricht über. Trotz landesverfassungsrechtlicher Unterschiede sind die Anforderungen an die Neutralität dieses Unterrichts die gleichen wie in Bayern. Allgemein ist zu bezweifeln, dass die Einrichtung eines staatlichen Islamkundeunterrichts ein sinnvoller Weg zur Etablierung islamischen Unterrichts an den deutschen öffentlichen Schulen ist. Der Islam wird dadurch in eine Sonderposition gerückt. Im Gegensatz zu anderen Religionen und Konfessionen, für die ein konfessioneller Religionsunterricht angeboten wird, wird er in der Schule in ein Wahlpflichtverhältnis zu einer ethischen Orientierung ohne religiösen Hintergrund gestellt. Dem Wesen des Islam als religiöse Weltsicht wird das nicht gerecht – und der Eindruck erweckt, als gäbe es die Alternativen Religion einerseits, Ethik und Islam andererseits.
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