Verbot von Abtreibungen im Christlichen Krankenhaus Lippstadt – Eine Gegenrede zu Hartmut Kreß

09. 09. 2025

Die gegen das Verbot von Abtreibungen im Christlichen Krankenhaus Lippstadt eingelegte Klage eines dort beschäftigten Chefarztes wurde abgewiesen. Weder aus dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht noch aus dem Arbeitsrecht ergibt sich ein Recht des Krankenhauspersonals, Abtreibungen durchzuführen. Das Weigerungsrecht in Bezug auf Schwangerschaftsabbrüche gilt vielmehr auch für Krankenhausträger. Den Aussagen von Hartmut Kreß in seinem kürzlich auf diesem Blog erschienenen Beitrag muss daher widersprochen werden.

Es gibt Prozesse, die werden für die Medien geführt, nicht für die Gerichte. Die Klage eines Chefarztes aus Lippstadt, der ein Recht einklagte, Abtreibungen vornehmen zu dürfen, die sein Arbeitgeber ihm nicht anordnet und die nicht zu seinen arbeitsvertraglichen Pflichten gehörten, war einer davon. Das Gericht wies die Klage vollumfänglich ab,[1] gewonnen hat der Kläger wohl trotzdem: Mehr als 1000 Demonstranten inkl. einiger Mitglieder des Deutschen Bundestags begleiteten die mündliche Verhandlung. Trillerpfeifen und Plakate. Die Online-Petition des Klägers erhielt mehr als 300.000 Unterschriften;[2] wie erfolgreich der Spendenaufruf von pro choice zur Finanzierung der Prozesskosten war,[3] wissen wir nicht. Die Presse jedenfalls berichtete deutschlandweit. Berufung ist medienwirksam eingelegt.[4]

Als Bestandteil dieses sehr erwünschten medialen Echos hat Hartmut Kreß in diesem Blog geschrieben, es sei „nicht anzunehmen, dass dieses erstinstanzliche Urteil Bestand haben wird“[5]. Er ist kein Jurist, erst recht kein Arbeitsrechtler. Eine mutige Aussage also. Und zudem offensichtlich falsch.[6]

Kreß weist darauf hin, auf eine gemeinsame „christliche“ Lehre könne sich das Christliche Klinikum Lippstadt für sein Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen gemäß medizinischer Indikation nicht stützen. Unter Berufung auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht besitze das Verbot, das im Christlichen Klinikum Lippstadt gegen medizinisch indizierte Schwangerschaftsabbrüche verhängt wurde, daher keine Basis. Das ist eine juristische Aussage, und juristisch stimmt das nicht. Dass es – sicherlich von vielen bedauert – keine gemeinsame Position der großen christlichen Kirchen zum Lebensschutz gibt, heißt nicht, dass ein Krankenhaus, das sich als christlich bezeichnet und in gemeinsamer Trägerschaft der Kirchen steht, nicht der katholischen Position folgen darf. Das Krankenhaus ist, wie der Tatbestand des Urteils deutlich macht, „katholisch“ geführt. Es hat sich insoweit auch durch die ausdrücklichen Regelungen in seiner Satzung, auf die der Tatbestand der Entscheidung ebenfalls hinweist, in der Frage der Abtreibung klar der katholischen Kirche zugeordnet – ansonsten wäre eine katholische (Mit-)Trägerschaft auch gar nicht möglich. Die Zuordnung zur Kirche ist damit nicht allein eine durch Gestaltung der Aufsichtsgremien gelebte, sondern sogar satzungsmäßig verfestigte. Das genügt nach ständiger Rechtsprechung zu einer Teilhabe am Selbstbestimmungsrecht der Kirche nach Art. 137 Abs. 3 WRV i. V. m. Art. 140 GG.[7] Um es klar zu sagen: Wenn eine Einrichtung gemeinsam geführt wird von zwei Trägern des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts, dann führt diese Gemeinsamkeit nicht dazu, dass sie das Selbstbestimmungsrecht verlieren. Wie sie es dann aber ausfüllen, ist eine Frage eben der Selbstbestimmung; zur Selbstbestimmung gehört auch die Ökumene.

All das hätte freilich dahingestellt bleiben können, denn hier klagte ein Arbeitnehmer ein Recht ein, eine Arbeitsleistung zu erbringen, die der Arbeitgeber gar nicht von ihm verlangte. Der Arbeitgeber bestimmt nun mal, was die Arbeitsleistung ist, welche Tätigkeit der Arbeitnehmer für sein Entgelt zu verrichten hat. Wenn ein Krankenhaus sagt, es wolle nur Heilbehandlungen vornehmen, dann kann der Arbeitnehmer nicht sagen, er habe ein Recht darauf, auch anderes zu tun. Das müsste ihm in seinem Arbeitsvertrag schon ausdrücklich zugesichert worden sein. Zurecht ist das Weisungsrecht dahingehend beschränkt, dass der Arbeitnehmer unbillige Weisungen zurückweisen kann und ihnen nicht Folge leisten muss. Hier geht es aber nicht darum, etwas nicht zu tun, was der Arbeitgeber anordnet, sondern darum, etwas zu tun, was der Arbeitgeber nicht anordnet. Das Schuldrecht kennt ein Leistungsverweigerungsrecht gegen den Willen des Arbeitgebers, aber kein Leistungsrecht gegen seinen Willen: Bezahle mich nicht für etwas, von dem Du willst, dass ich es tue, sondern für etwas, was ich tun will gegen Deinen Willen. Arbeitsrechtlich liegt ein solches Begehren so quer zu so vielem, dass es bislang zu Recht nicht erwogen wurde. Zu Recht führt also das Gericht aus, dass „auch ein Arbeitgeber, der sich möglicherweise nicht auf den besonderen Status mit bestehenden Rechten und Pflichten der katholischen Kirche aus Art. 137 WRV i. V. m. § 140 GG berufen kann, selbstverständlich berechtigt [ist], zu entscheiden, dass im Betrieb Schwangerschaftsabbrüche nur eingeschränkt durchgeführt werden. Dies ergibt sich unmittelbar aus § 106 Sätze 1 und 2 GewO.“ Wer Augen hat, der lese.

Diese genuin arbeitsrechtliche Argumentation wird durch das Verfassungsrecht nicht infrage gestellt, auf das es eigentlich wie vom Gericht dargelegt ja gar nicht mehr ankommt. Kreß weist dennoch darauf hin, dass § 218 Abs. 2 StGB ein für alle geltendes Gesetz sei und eine willkürliche Einschränkung dieses Gesetzes nicht haltbar sei, weil das öffentliche Gesundheitswesen die medizinische Versorgung beim Schwangerschaftsabbruch adäquat gewährleisten müsse und auch die Grundrechte der Schwangeren berücksichtigt werden müssten (die des Embryos spricht Kreß nicht an). Hier wird wirklich alles in einen Topf geworfen. Ein für alle geltendes Gesetz ist § 218a Abs. 2 StGB[8] ohne Frage – aber da steht nicht: Jeder Arzt hat ein Recht, im Krankenhaus abzutreiben, und insoweit wird dieses Recht auch nicht eingeschränkt. Auch führt eine etwaige landesrechtliche Pflicht zur Gewährleistung der medizinischen Versorgung beim Schwangerschaftsabbruch nicht zu einer Erweiterung der Rechtsstellung des Arbeitnehmers – dass diese nicht gewährleistet ist, ist zudem nicht dargelegt. Im Übrigen gilt: Stationäre Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen müssen nicht in die Krankenhausplanung aufgenommen werden, weil es keine Heilbehandlungen sind. Deswegen hat die Versorgung mit Schwangerschaftsabbrüchen nicht notwendig im Wege der Krankenhausplanung zu erfolgen.

Wen das nicht überzeugt, der mag auch in das Schwangerschaftskonfliktgesetz schauen. Nach dessen § 12 Abs. 1 ist niemand verpflichtet, an einem Schwangerschaftsabbruch mitzuwirken. Das muss auch so sein, das Bundesverfassungsgericht hat das so vorgegeben.[9] Das gilt umfassend: „Das Weigerungsrecht besteht vor allem für Ärzte, aber auch für deren Assistenzpersonal, die Krankenhausleitung und den Krankenhausträger.“[10] Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags[11] hat sich bereits vor sechs Jahren mit der Frage befasst. Er weist auf die Gesetzgebungsgeschichte hin. So erklärte die damalige für Familie zuständige Ministerin noch während der parlamentarischen Debatte im Rahmen der dritten Lesung: „Die Ärzte werden durch kein Gesetz gezwungen, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen. Ihre freie Entscheidung wie die aller Mitwirkenden – und auch der Krankenhausträger – ist gesetzlich garantiert.“[12] Auch der erste Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform zu einem weiteren Gesetzesentwurf führte aus: „Entsprechendes gilt für die Träger von Krankenhäusern und Kliniken. Sie sollen grundsätzlich nicht gezwungen werden können, Patientinnen zum Zweck des Schwangerschaftsabbruchs aufzunehmen.“[13]  Einige Jahre später, Anfang 1980, vertrat die Bundesregierung wiederum die Auffassung, dass „das im Gesetz geregelte Weigerungsrecht für Einzelpersonen, Ärzte und Krankenschwestern, aber auch für private und kirchliche Träger von Krankenhäusern gilt.“[14]  Das alles gilt ganz unabhängig vom kirchlichen Selbstbestimmungsrecht – das alles erwähnt Kreß mit keinem Wort. Leider.

Er führt vielmehr aus, dass die katholische Kirche ihr Nein zu Schwangerschaftsabbrüchen im Sinn von § 218a Abs. 2 StGB deutschlandweit sogar in ihren eigenen Einrichtungen „nicht durchhalte“. In seiner beim Arbeitsgericht Hamm (ArbG) eingereichten Klage hatte der Kläger wohl in der Tat entsprechenden Beweis antreten wollen. Das ArbG hat dies unberücksichtigt gelassen – zurecht, denn es ist irrelevant. Abusus non tollit usum gilt übertragen auch hier. Wenn sich einige nicht an die Vorgaben halten, heißt das nicht, dass es nicht vorgegeben werden kann. Auch hier werden Argumente vorgebracht, die keine rechtlichen sind, aber im Gewand rechtlicher Erheblichkeit vorgetragen werden.

Die mediale Aufmerksamkeit ist also eine ganz andere als die juristische Brisanz. „Keinesfalls darf es sich wiederholen, dass Kliniken zu derartigen katholischen Bedingungen fusionieren“, schließt Kreß sein Statement. Daher also weht der Wind. Aber es bleibt offen, warum. Hätte das Krankenhaus nicht fusioniert – es wäre ggf. ganz verschwunden. Wäre das der bessere Weg gewesen? Welchem Patienten wäre damit gedient? Die Position der katholischen Kirche ist klar: im Grundsatz keine Abtreibung, wenn dies nicht auch Leib und Leben der Mutter beeinträchtigt! Das mag hart zu hören sein in einer säkularen, pluralistischen Gesellschaft – aber wer eine Pluralität der Krankenhausträger haben will, der muss auch das hinnehmen. Katholische Krankenhäuser dienen der Nächstenliebe, die eben auch auf das ungeborene Leben gerichtet ist. Es ist also würdig und recht, dass die Diskussion weitergeführt wird – die Stimme von Hartmut Kreß gehört unverzichtbar dazu.

Fußnoten

Fußnoten
1 ArbG Hamm, Urteil v. 08.08.2025 – 2 Ca 182/25 = NRWE, unter:  https://nrwe.justiz.nrw.de/arbgs/hamm/arbg_hamm/j2025/2_Ca_182_25_Urteil_20250808.html (abgerufen am 09.09.2025).
2 Vielleicht ist das dann doch nicht so viel, wenn man bedenkt, dass schon eine Petition zur Absenkung der Mehrwertsteuer auf Hafermilch aktuell auf knapp die Hälfte kommt.
3 ProChoice (2025): Spendenaufruf für Prof. Dr. med. Joachim Volz, Lippstadt, unter: https://pro-choice.de/2025/05/19/spendenaufruf-fuer-prof-dr-med-joachim-volz-lippstadt/ (abgerufen am 09.09.2025). Eine steuerlich wirksame Spendenbescheinigung kann ausgestellt werden.
4 So berichtet jedenfalls u. a. der WDR: Abtreibungsverbot am Klinikum Lippstadt: Arzt geht in Berufung, WDR.de am 26.08.2025, unter: https://www1.wdr.de/nachrichten/westfalen-lippe/klinikum-lippstadt-abtreibung-berufung-100.html (abgerufen am 09.09.2025).
5 Hartmut Kreß (2025): Ein fragwürdiges Verbot medizinisch indizierter Schwangerschaftsabbrüche im Christlichen Krankenhaus Lippstadt, Experteninitiative Religionspolitik am 01.09.2025, unter: https://www.experteninitiative-religionspolitik.de/blog/fragwuerdiges-verbot-medizinisch-indizierter-schwangerschaftsabbrueche-im-christlichen-klinikum-lippstadt/ (abgerufen am 09.09.2025).
6 Als Arbeitsrechtler will ich mich nicht weiter zu der Behauptung verhalten, „die katholische Kirchenlehre bezeichnet jede Abtreibung … als Mord“. Oder vielleicht will ich das doch. Denn das ist – sit venia verbo – dann doch allzu plumpe Polemik. Wenn der Papst die Abtreibung in bestimmtem Kontext – vielleicht unbedacht überspitzt – mit Mord vergleicht, dann bezeichnet er sie nicht als Mord. Was die Kirchenlehre sagt, ist ohnehin weitaus differenzierter: Eine Abtreibung aufgrund der Gefährdung des Lebens der Schwangeren ist zugelassen, und in allen anderen Fällen bleibt die Abtreibung ein schweres sittliches Vergehen, aber Mord ist sie nicht. Die „Klarstellung zur vorsätzlichen Abtreibung“ vom 11.07.2009 formuliert hier sehr präzise die Position der Kirche: „Gewiss nimmt der Entschluss zur Abtreibung für die Mutter sehr oft einen dramatischen und schmerzlichen Charakter an, wenn die Entscheidung, sich der Frucht der Empfängnis zu entledigen, nicht aus rein egoistischen und Bequemlichkeitsgründen gefasst wurde, sondern weil manche wichtigen Güter, wie die eigene Gesundheit oder ein anständiges Lebensniveau für die anderen Mitglieder der Familie gewahrt werden sollten. Manchmal sind für das Ungeborene Existenzbedingungen zu befürchten, die den Gedanken aufkommen lassen, es wäre für dieses besser nicht geboren zu werden. Niemals jedoch können diese und ähnliche Gründe, mögen sie noch so ernst und dramatisch sein, die vorsätzliche Vernichtung eines unschuldigen Menschen rechtfertigen.“, siehe Kongregation für die Glaubenslehre (2009): Klarstellung zur vorsätzlichen Abtreibung, unter: https://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cfaith/documents/rc_con_cfaith_doc_20090711_aborto-procurato_ge.html (abgerufen am 09.09.2025). Über Mörder redet man anders.
7 BAG, Urteil v. 20.11.2012 – 1 AZR 179/11 = NZA 2013, 448 Rn. 48 mit zahlreichen Nachweisen.
8 Kreß schreibt zweimal § 218 Abs. 2 StGB – er meint aber sicherlich § 218a Abs. 2 StGB. Und er schreibt stets das AG Hamm, meint aber das ArbG Hamm, nicht das Amtsgericht.
9 BVerfG, Urteil v. 27.10.1998 – 1 BvR 2306/96 = openJur.
10 So schon vor einem Vierteljahrhundert das OLG Zweibrücken, Urteil v. 28.03.2000 – 5 U 19/99 = juris Rn. 30. Ebenso Eser/Weißer, in: Tübinger Kommentar, StGB, 31. Auflage 2025, § 218a Rn. 84; Wörner, in: Münchener Kommentar zum StGB, 5. Auflage 2025, § 218a Rn. 99; Gitter/Wendling: „Recht“ auf Sterilisation und Schwangerschaftsabbruch? in: Eser/Hirsch, Sterilisation und Schwangerschaftsabbruch, 1980, S. 201 (205); Rogall/Berghäuser, in: SK-StGB, 10. Auflage 2024, § 218a Rn. 66.
11 Wissenschaftliche Dienste des Bundestags (2019): Zum Weigerungsrecht von Krankenhäusern, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen (WD 9 – 3000 – 087/19), unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/675694/05bba5de38706d2a35ad3f8f8e1dc994/WD-9-087-19-pdf-data.pdf (abgerufen am 09.09.2025).
12 Deutscher Bundestag, 95. Sitzung Bonn, 25. April 1974, 6403.
13 BT-Drucksache 7/1982 vom 10. April 1974: Erster Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, S. 20.
14 BT-Drucksache 8/3630 vom 31. Januar 1980: Unterrichtung durch die Bundesregierung, Bericht der „Kommission zur Auswertung der Erfahrungen mit dem reformierten § 218 des Strafgesetzbuches“ Stellungnahme der Bundesregierung.

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